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Haftung beim Hundespaziergang: Warum Gassigeher nicht versichert sind


Ein Spaziergang mit Folgen

Sonntag, 20. Juli 2024, Oberwinter: Ein harmloser Spaziergang wird zum Albtraum. Ein Mann führt den Hund seiner Nachbarin aus – eine nette Gefälligkeit, wie sie täglich tausendfach passiert. Besonders in der Ferienzeit, wenn Hundebesitzer ihre Vierbeiner nicht mit in den Urlaub nehmen können: Verwandte springen ein, Freunde helfen aus, Nachbarn übernehmen die Betreuung.

Doch dann reißt sich das Tier los, rennt direkt vor einen Radfahrer. Der Zusammenstoß ist unvermeidlich: Der Radler überschlägt sich, das Fahrrad ist hinüber, die Schmerzen groß.

Schnell steht die alles entscheidende Frage im Raum: Wer zahlt den Schaden? Der Hundebesitzer im fernen Urlaubsort? Der Hundesitter? Oder etwa niemand?

Dieser Fall landete vor dem Landgericht Koblenz und sorgte für ein wegweisendes Urteil zur Haftung beim Hundespaziergang. Die Entscheidung überrascht viele und räumt mit weit verbreiteten Irrtümern auf.


Das unterschätzte Risiko: Wenn Bello zum Problem wird

Solche Unfälle sind keine Seltenheit. Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland zwischen 30.000 und 50.000 Bissverletzungen durch Tiere und das sind nur die gemeldeten Fälle. 60 bis 80 Prozent davon gehen auf das Konto von Hunden. Allein 2024 wurden in Berlin 523 Menschen durch Hundebisse verletzt, in Sachsen-Anhalt 115 Bissattacken registriert.

Doch nicht nur Bisse sind das Problem: Hunde können wegrennen, andere Tiere jagen, Spaziergänger zu Fall bringen oder Sachschäden verursachen. 2023 starben drei Menschen in Deutschland an den Folgen von Hundebissen. Eine erschreckende Zahl, die zeigt: Das Risiko ist real.

Besonders brisant: Längst nicht immer führt der eigentliche Hundebesitzer das Tier. Freunde helfen aus, Nachbarn springen ein, professionelle Dogwalker übernehmen den Service. Aber wer haftet, wenn etwas passiert?


Der Hundebesitzer zahlt (fast) immer – das sagt § 833 BGB

Das deutsche Recht ist hier eigentlich eindeutig: Der Tierhalter haftet – punkt. § 833 BGB stellt den Hundebesitzer in die Verantwortung, egal ob ihn ein Verschulden trifft oder nicht. Diese Gefährdungshaftung ist knallhart: Verursacht das Tier einen Schaden, muss der Halter zahlen.

So weit, so klar. Aber was ist ein "Tierhalter"? Nicht jeder, der mal mit Bello Gassi geht! Tierhalter ist, wer das Tier in seinen Haushalt aufgenommen hat und dauerhaft für Unterhalt und Pflege sorgt. Ein Gassigeher wird dadurch nicht automatisch zum Halter, selbst, wenn er täglich kommt.

Die gute Nachricht für alle Nachbarn und Freunde: Wer nur gelegentlich aushilft, übernimmt keine Halterhaftung.


Aber Moment – was ist mit dem Tieraufseher?

"Aber ich hatte doch die Verantwortung für den Hund!", denken viele Gassigeher. Stimmt das? Das Gesetz kennt tatsächlich auch die Haftung des "Tieraufsehers" nach § 834 BGB. Doch Vorsicht: Nicht jeder, der eine Leine in der Hand hat, wird zum Tieraufseher.

Die Haftung als Tieraufseher setzt eine echte rechtliche Verpflichtung voraus, etwa einen Betreuungsvertrag oder ein Geschäftsverhältnis. Bei der klassischen Nachbarschaftshilfe fehlt diese Bindung völlig.

Bleibt noch § 823 BGB: die klassische Fahrlässigkeitshaftung. Hier kann der Gassigeher durchaus in die Verantwortung genommen werden, aber nur bei eigenem grobem Verschulden. Wer den Hund ohne Leine laufen lässt oder bewusst Risiken eingeht, handelt fahrlässig.


Nachbarschaftshilfe oder echter Auftrag? Der entscheidende Unterschied

Hier liegt der Knackpunkt: Wann ist ein Gassigeher nur hilfsbereit, wann übernimmt er echte Verantwortung? Die Rechtsprechung unterscheidet streng zwischen Gefälligkeitsverhältnis und rechtsverbindlichem Auftrag.

Ein Gefälligkeitsverhältnis liegt vor bei:

  • Unentgeltlicher Nachbarschaftshilfe
  • Gelegentlichen Spaziergängen für Freunde
  • Spontanen Hilfeleistungen
  • Ferienbetreuung durch Familie oder Freunde
  • Fehlendem Rechtsbindungswillen

Ein Auftrag entsteht bei:

  • Regelmäßiger, entgeltlicher Tätigkeit
  • Geschäftsmäßigen Dogwalkern
  • Vertraglichen Vereinbarungen
  • Professionellen Tiersittern und Ferienpensionen
  • Übernahme von Verantwortung

Die Grenze ist oft fließend, aber entscheidend: Nur bei echten Aufträgen haftet der Gassigeher als Tieraufseher.


Das Urteil, das alles ändert: LG Koblenz räumt mit Mythen auf

Zurück zu unserem Ausgangsfall: Der Radfahrer verklagte den Gassigeher auf Schadensersatz. Seine Argumentation: Der Mann habe grob fahrlässig gehandelt und die Leine nicht kurz genug gehalten.

Das Landgericht Koblenz sah das anders. Am 4. März 2025 entschied das Gericht: Nicht jeder, der mit dem Hund unterwegs ist, muss auch für dessen Verhalten einstehen. Die bloße Führung eines fremden Hundes aus Gefälligkeit begründet weder Tierhalter- noch Tieraufseherhaftung.

Die Richter stellten klar: Bei der Haftung beim Hundespaziergang kommt es auf die rechtlichen Verhältnisse an, nicht darauf, wer gerade die Leine hält. Ein Meilenstein für alle ehrenamtlichen Hundefreunde!


Die Versicherungsfalle: Warum viele Gassigeher im Regen stehen

Die rechtliche Klarstellung hat direkte Konsequenzen für den Versicherungsschutz. Viele Gassigeher glauben fälschlicherweise: "Die Tierhalterhaftpflicht des Besitzers wird schon greifen." Fataler Irrtum!

Die harte Realität:

  • Tierhalterhaftpflichtversicherungen decken nur eigene Tiere ab
  • Gassigeher sind über fremde Policen nicht versichert
  • Private Haftpflicht greift nur bei eigenem Verschulden
  • Bei der Gefährdungshaftung bleibt der Tierhalter in der Pflicht

Die Versicherungslücke für Gassigeher ist real – und kann teuer werden. Professionelle Dogwalker brauchen daher spezielle Haftpflichtpolicen, die auch fremde Tiere abdecken.

So schützen Sie sich richtig: Der Praxis-Guide für alle

Für Hundebesitzer – die Checkliste:

  • Umfassende Tierhalterhaftpflicht mit mindestens 5 Millionen Euro Deckung abschließen
  • Vor dem Urlaub: Betreuungsperson über Versicherungsschutz informieren
  • Bei regelmäßigen Gassigehern schriftliche Vereinbarungen treffen (Klarstellung: Gefälligkeit oder Auftrag? Haftungsverteilung regeln!)
  • Professionelle Dogwalker nur mit eigenem Versicherungsnachweis beauftragen
  • Feriensitter checken: Gewerblich oder privat? Das macht den Unterschied!
  • Niemals auf "wird schon nichts passieren" vertrauen

Was gehört in eine Gassigeher-Vereinbarung?

  • Charakter der Tätigkeit klar definieren (Gefälligkeit oder Auftrag?)
  • Haftungsverteilung schriftlich festhalten
  • Notfallkontakte und Tierarzt-Daten hinterlegen
  • Besonderheiten des Hundes dokumentieren (Ängste, Aggressionen, Krankheiten)
  • Versicherungsschutz klären und bestätigen
  • Bei Entgelt: Gewerbeanmeldung und Steuerpflicht bedenken

Für gelegentliche Gassigeher – die Sicherheitstipps:

  • Nur Hunde führen, die Sie gut kennen
  • Bei Ferienbetreuung: Vorher ausführlich über Eigenarten des Hundes informieren lassen
  • Immer angeleint lassen – auch im Hundepark
  • Bei aggressivem Verhalten sofort zurück zum Besitzer (oder Notfallkontakt)
  • Private Haftpflicht auf mögliche Deckung prüfen

Für professionelle Dogwalker – die Pflichtausstattung:

  • Spezielle Dogwalker Haftungsversicherung unbedingt erforderlich
  • Gewerbeanmeldung nicht vergessen
  • Vertragliche Haftungsregelungen mit Kunden vereinbaren
  • Kontinuierliche Weiterbildung in Hundeverhalten
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Klöber-Tipp:

In der Praxis erleben wir immer wieder Missverständnisse", berichtet Versicherungsmakler Sven Thiele. Gassigeher glauben oft fälschlicherweise, sie seien über die Tierhalterhaftpflicht des Besitzers mitversichert. Das ist ein gefährlicher Irrtum, der teuer werden kann."


Fazit: Haftung klar regeln – entspannt Gassi gehen

Das Koblenzer Urteil bringt Klarheit in eine lange umstrittene Rechtsfrage: Wer nur aus Gefälligkeit mit fremden Hunden spazieren geht, haftet nicht automatisch. Die Haftung beim Hundespaziergang bleibt grundsätzlich beim Tierhalter – das ist die gute Nachricht für alle hilfsbereiten Nachbarn.

Trotzdem sollten alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen: Hundebesitzer durch umfassende Tierhalterhaftpflicht, Gassigeher durch verantwortungsvolles Verhalten und Profis durch spezialisierte Dogwalker-Versicherung.

Denn auch wenn die Rechtslage klar ist – ein Unfall tut weh, kostet Nerven und kann teuer werden.

Sie sind Hundebesitzer und wollen sicherstellen, dass Ihre Tierhalterhaftpflicht optimal aufgestellt ist? Oder Sie arbeiten professionell als Dogwalker und brauchen speziellen Versicherungsschutz? Nutzen Sie unser Kontaktformular am Ende des Artikels – wir beraten Sie gerne zu allen Fragen rund um die Tierhalterhaftung!



Die 5 wichtigsten Fragen schnell beantwortet

Hafte ich als Gassigeher, wenn der Hund einen Unfall verursacht?

Bei unentgeltlicher Nachbarschaftshilfe haften Sie grundsätzlich nicht nach der Tierhalter- oder Tieraufseherhaftung. Nur bei eigenem grobem Verschulden droht eine Haftung.

Bin ich über die Tierhalterhaftpflicht des Hundebesitzers versichert?

Nein! Diese Policen decken nur eigene Tiere ab. Als Gassigeher sind Sie nicht automatisch mitversichert – ein weit verbreiteter und gefährlicher Irrtum.

Was ist der Unterschied zwischen Gefälligkeit und Auftrag beim Gassigehen?

Gefälligkeiten sind unentgeltliche Nachbarschaftshilfen ohne rechtliche Bindung. Aufträge entstehen bei regelmäßiger, entgeltlicher oder geschäftsmäßiger Hundebetreuung.

Wann brauche ich als Dogwalker eine eigene Versicherung?

Sobald Sie regelmäßig, entgeltlich oder geschäftsmäßig fremde Hunde betreuen. Dann sind Sie Tieraufseher und brauchen eine spezielle Dogwalker-Haftpflicht.

Können Hundebesitzer die Haftung auf Gassigeher übertragen?

Haftungsausschlüsse sind rechtlich schwierig und oft unwirksam. Die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB bleibt grundsätzlich beim Tierhalter – das ist auch gut so.

Was gilt bei der Ferienbetreuung durch Freunde oder Familie?

Auch hier kommt es auf die Umstände an: Unentgeltliche Hilfe von Verwandten oder Freunden ist meist ein Gefälligkeitsverhältnis ohne Haftung. Bei professionellen Tiersittern oder Ferienpensionen liegt dagegen ein Auftragsverhältnis vor.

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